Notaufnahmelager (1952 - 1960)


Die Unterkunftsbaracken der jugendlichen Flüchtlinge. Foto: Georg Schiller, nicht datiert (nach 1957)
Die Unterkunftsbaracken der jugendlichen Flüchtlinge. Foto: Georg Schiller, nicht datiert (nach 1957)

Am 1. April 1952 richtete das Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte das "Notaufnahmelager Sandbostel" für jugendliche männliche Flüchtlinge aus der DDR ein. Das Gelände in Sandbostel bot Raum für 800 bis 1.000 Jugendliche, die zeitgleich in vier der ehemaligen hölzernen Unterkunftsbaracken der sowjetischen Kriegsgefangenen untergebracht wurden.

 

Täglich kamen in Sandbostel etwa 100 neue Flüchtlinge an, ungefähr die gleiche Zahl verließ jeden Tag das Lager. In der Regel waren die zwischen 15 und 24 Jahre alten Jugendlichen acht Tage bis zwei Wochen in Sandbostel untergebracht, bevor sie auf die verschiedenen Bundesländer nach einem Quotenschlüssel verteilt wurden.

 

Im Lager durchliefen die Jugendlichen ihr Aufnahmeverfahren, sie wurden über die Fluchtgründe befragt und hatten einen Termin beim Arbeitsamt. Im Anschluss erhielten die Jugendlichen ihren neuen Pass und den Vertriebenen- und Flüchtlingsausweis "C".

 

Die jugendlichen Lagerbewohner hatten sich während ihres Aufenthaltes in einen durchstrukturierten Tagesablauf einzufinden, der mit einem Morgenappell begann. Vor- und Nachmittags hatten sie die Möglichkeit, gegen einen geringen Lohn Arbeiten im Lager oder in der Landwirtschaft nachzugehen.

 

Insgesamt haben schätzungsweise 250.000 junge Männer das Lager Sandbostel durchlaufen, dass für diesen Zweck noch einmal ausgebaut und renoviert wurde: Es erhielt Mitte der 1950er-Jahre zusätzlich zur evangelischen eine katholische Kirche. Der Christliche Verein Junger Männer (CVJM) stiftete mit dem "Haus für alle" eine Holzbaracke, in der vor allem Freizeitaktivitäten angeboten wurden und die schwedische Stiftung "Hjelpkommitté for Tysklands barn" (Hilfskomitee für Deutschlands Kinder) spendete ein schwedisches Blockhaus, das für die Betreuung der unter 15-Jährigen genutzt wurde.

 

1960, noch vor dem Bau der Mauer, wurde das Notaufnahmelager Sandbostel geschlossen, da es nur noch geringen Bedarf an Unterkunftsplätzen für Flüchtlinge gab.

Jugendliche vor ihrer Unterkunftsbaracke "Pommern". Die Baracken wurden im Notaufnahmelager nach den verlorenen ostdeutschen Provinzen benannt. Foto: Erika Glenewinkel, Februar 1953
Jugendliche vor ihrer Unterkunftsbaracke "Pommern". Die Baracken wurden im Notaufnahmelager nach den verlorenen ostdeutschen Provinzen benannt. Foto: Erika Glenewinkel, Februar 1953