Befreiung


Einmarsch der britischen Soldaten. Foto: vmtl. Georges Chertier, 30.4.1945. Privatbesitz
Einmarsch der britischen Soldaten. Foto: vmtl. Georges Chertier, 30.4.1945. Privatbesitz

Am Nachmittag des 29. April 1945 erreichten die ersten britischen Einheiten das Kriegsgefangenenlager Sandbostel, einen Tag später rückten dann auch britische Panzerverbände vor.

Die britischen Soldaten befreiten etwa 14.000 Kriegsgefangene und 7.000 KZ-Häftlinge.

Der Befreiung vorausgegangen waren heftige und aus heutiger Sicht unverständliche und für beide Seiten verlustreiche Abwehrkämpfe durch Wehrmachtssoldaten der 15. Panzergrenadier-Division.

 

Die britischen Soldaten waren insbesondere bei dem Anblick der KZ-Häftlinge tief erschüttert und verglichen Sandbostel mit dem kurz zuvor befreiten Bergen-Belsen als "a minor Belsen" (ein kleines Belsen).

Befreite KZ-Häftling in einer Unterkunftsbaracke. Foto: unbekannt, nicht datiert (Mai 1945). Archiv KZ-Gedenkstätte Neuengamme DN 1983-2695
Befreite KZ-Häftling in einer Unterkunftsbaracke. Foto: unbekannt, nicht datiert (Mai 1945). Archiv KZ-Gedenkstätte Neuengamme DN 1983-2695

Innerhalb von zweieinhalb Wochen waren in dem Lagerteil, in dem die KZ-Häftlinge untergebracht waren, etwa 2.000 KZ-Häftlinge gestorben. Im Lager lagen nicht bestattete Leichname teils seit Tagen herum, Typhus war ausgebrochen. Die zu Skeletten abgemagerten Menschen liefen auf der Suche nach etwas Nahrung herum oder lagen apathisch in den Baracken. Der Gestank war noch in weiter Entfernung wahrnehmbar.


Die britische Armee leitete zügig Rettungs- und Hilfsmaßnahmen ein. Deutsche Zivilistinnen und Zivilisten sowie Sanitätspersonal wurden dienstverpflichtet, um den Überlebenden zu helfen, die Verstorbenen zu bestatten und das Lager aufzuräumen. Trotz aller Anstrengungen starben jedoch auch nach der Befreiung Hunderte von Menschen an den Folgen von Hunger, Typhus und anderen Krankheiten.

 

Gemäß dem Abkommen von Jalta wurde die sofortige Repatriierung der Kriegsgefangenen eingeleitet. Zuerst wurden britische und amerikanische Kriegsgefangene in ihre Armeen entlassen, dann die sowjetischen Kriegsgefangenen der Roten Armee übergeben und in Filtrationslager der Militärdienste in der damaligen sowjetischen Besatzungszone abtransportiert. Zur Eindämmung der Seuchengefahr wurden die geräumten Baracken, in denen die KZ-Häftlinge untergebracht waren, niedergebrannt.

 

Die Auflösung des Lagers dauerte etwa einen Monat und die befreiten Kriegsgefangenen und KZ-Häftlinge waren medizinisch versorgt und in Krankenhäuser, Recreation-Center, DP- oder Sammellager verlegt oder bereits in die Herkunftsländer gebracht. Die nun freien Unterkünfte des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers nutzte die britische Armee als Zivilinternierungslager.

 

Befreite KZ-Häftlinge nach der medizinischen Versorgung im britischen Feldlazarett No 10 Casuality Clearing Station (CCS), Rechts ist der britische Militärarzt Stanley Aylett zu sehen. Foto: unbekannt, nicht datiert (zw. 6.5 und 28.5.1945). Privatbesitz
Befreite KZ-Häftlinge nach der medizinischen Versorgung im britischen Feldlazarett No 10 Casuality Clearing Station (CCS), Rechts ist der britische Militärarzt Stanley Aylett zu sehen. Foto: unbekannt, nicht datiert (zw. 6.5 und 28.5.1945). Privatbesitz

 

Weiterführende Literatur:

  • Henrike Illig, Die Befreiung des Kriegsgefangenen- und KZ-Auffanglagers Sandbostel und der Umgang der britischen Befreier mit der deutschen Bevölkerung. In: KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Hg.), Beiträge zur nationalsozialistische Verfolgung in Norddeutschland, Heft 12 (Zwischenräume. Displaced Persons, Internierte und Flüchtlinge in ehemaligen Konzentrationslagern). Bremen: Edition Temmen, 2010, S. 11-21.